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Infos und Ideen zur Coronapandemie

Informationen, Regelungen und Angebote der Kirche in Unterfranken in der Coronakrise.

Dokumentation

„Gott hat in Christus den Grundstein gelegt“

Predigt von Bischof Dr. Franz Jung in der Osternacht am Samstag, 11. April 2020, im Kiliansdom

Jerusalem, die Ärmste, vom Sturm Gepeitschte, die ohne Trost ist

„Ärmste, vom Sturm Gepeitschte, die ohne Trost ist: Siehe, ich selbst lege dir ein Fundament“ – so hieß es vorhin in der vierten Lesung aus dem Buch Jesaja (Jes 54,5-14). Die „Ärmste und vom Sturm gepeitschte, ohne Trost“, von der der Prophet spricht, ist die Stadt Jerusalem, oder besser das Häuflein Elend, das von der Stadt übrig geblieben ist. Denn die Bewohner des einst so stolzen Jerusalems leben mittlerweile in der Verbannung in Babylon. Wie ein Sturm sind die fremden Eroberer über sie hinweggefegt und haben nur noch einen rauchenden Trümmerhaufen zurückgelassen. Jerusalem in der Verbannung, im Ausnahmezustand. Was man einst sicher glaubte, hat sich als höchst unsicher erwiesen. Allzu sehr war man sich seiner Sache gewiss und meinte, es könne einem nichts passieren. Schließlich wäre man ja Gottes heilige Stadt und daher unantastbar. Ein Trugschluss, wie sich jetzt herausstellt. Jerusalem erlebte seinen Karfreitag, wenn man so will.

Die Welt vom Coronasturm gepeitscht

Wie den Einwohnern Jerusalems ist es auch uns ergangen in den vergangenen Wochen. Wie ein Sturm ist der Coronavirus plötzlich über uns hinweggefegt. Wir glaubten uns sicher. Waren stolz auf unsere Errungenschaften in Medizin und Technik. Doch plötzlich befindet sich die ganze Welt im Ausnahmezustand. Aus der Traum von der Unverwundbarkeit. Aus der Traum von der globalen Mobilität. Aus der Traum vom linearen Wachstum. Die frühere Selbstsicherheit ist geschwunden. Und ratlos tasten wir nach einer Neuorientierung und fragen uns, wie es jetzt wohl weitergehen kann und weitergehen soll. Auch eine Art von weltweiter Karfreitagserfahrung, was wir momentan da erleben.

Abwesenheit Gottes als aufrüttelnde Schrecksekunde

„Einen Augenblick nur verbarg ich vor dir mein Gesicht in aufwallendem Zorn; aber in ewiger Huld habe ich mich deiner erbarmt, spricht dein Erlöser, der Herr.“ So heißt es beim Propheten weiter.

Es war nur für einen Augenblick, dass es scheinen konnte als hätte Gott sein Gesicht vor den Menschen verborgen. Aber dieser Moment hat ausgereicht, eine ganze Welt ins Wanken zu bringen. Manchmal so will man meinen, braucht es diese Schrecksekunden im Leben, um endlich aufzuwachen aus dem Schlaf der Unbekümmertheit und Sorglosigkeit. Es ist wie ein Weckruf, um noch einmal neu darüber nachzudenken, was wirklich wichtig ist im Leben.

Die Krise offenbart wie so oft unbarmherzig die Versäumnisse und Fehler der Vergangenheit.

  • Mangelnde internationale Kommunikation und Absprachen.

  • Ein total ökonomisiertes Gesundheitssystem, das sofort an die Grenzen gerät.

  • Der Rückzug auf nationale und wirtschaftliche Eigeninteressen.

  • Die Schutzlosigkeit nicht europäischer Länder, die in keiner Weise über die Mittel verfügen, um die Krankheit eingrenzen zu können und ihre Bürger zu schützen.

  • Eindringlich sagte der Papst bei seinem Bittgottesdienst anlässlich der Pandemie: „Wir haben geglaubt in einer kranken Welt, gesund bleiben zu können“. In einer Welt, die sich an den falschen Maßstäben orientiert und die Prioritäten falsch gesetzt hat.

Das Kreuz hat viele Erscheinungsformen in diesen Tagen. Und es gibt viele Wunden, die jetzt geheilt werden wollen und geheilt werden müssen.

Der treue Gott und sein Ruf zur Umkehr

Angesichts dieses Befundes muss der Prophet Jesaja noch etwas klarstellen. Er sagt: „So wie ich damals schwor, dass die Flut Noachs die Erde nie mehr überschwemmen wird, so schwöre ich jetzt, dir nie mehr zu zürnen und dich nie mehr zu schelten.“

Jesaja erinnert an Gottes Zusage nach der Sintflut, die Welt nicht noch einmal völlig zerstören zu wollen. Gott hat keine Lust am Untergang und am Tod. Er ist ein Gott des Lebens. Er steht treu zu seiner Verheißung. Aber die Treue, die er uns verspricht, die fordert er auch von unserer Seite ein. Wie ein guter Ehemann, so heißt es, erwartet Gott die Treue seiner Frau Jerusalem. Umkehr zu Gott ist also angesagt. Das heißt Neubesinnung und Neuausrichtung des Lebens.

Kein vorschnelles zurück zur Normalität. Das Leid nicht übergehen

Das steht im Gegensatz zu den derzeit lauter werdenden Stimmen, die fordern, man müsse umgehend zur Normalität zurückkehren. Es soll wieder alles so werden, wie es vorher war.

Der Prophet Jesaja sieht das etwas anders. Nein. Es soll definitiv nicht alles so werden wie es vorher war. Ein Neubeginn wird nur möglich, wenn das erfahrene Leid nicht einfach übersprungen wird. Heilung und Neuschöpfung – und das feiern wir in dieser Osternacht – werden nur gelingen, wenn man sich der schmerzlichen Wirklichkeit ungeschminkt stellt und wenn man sie auch bewusst annimmt und die Konsequenzen daraus zieht zum Heil und Wohl aller. Dann kann aus dem Leid neues Leben erwachsen. Dann wird diese Krise wirklich zu einer Chance der Neubesinnung.

Das neue Fundament: Edelsteine als Symbole verklärter Wirklichkeit

Es braucht also ein neues Fundament. Bei seinen Überlegungen zum neuen Fundament denkt der Prophet groß. Es geht nicht darum, Jerusalem aus dem Trümmerschutt neu erstehen zu lassen. Nein, der Prophet lässt Gott sprechen:

Siehe, ich selbst lege dir ein Fundament aus Malachit und Grundmauern aus Saphír. Aus Rubinen mache ich deine Zinnen, aus Beryll deine Tore und alle deine Mauern aus kostbaren Steinen.

Gott entwirft eine Vision atemberaubender Schönheit von seiner neuen Stadt, eine Vision, die alle menschliche Vorstellungskraft sprengt. Allein die erforderliche Menge an Edelsteinen sprengt den Rahmen des natürlichen Vorkommens dieser Steine. Und eine Größe müssten die Steine aufweisen, damit sie als Baumaterial dienen können, die man in der Natur sonst nie findet. Die Diamantschleifer der Welt reichten nicht aus, die solche Steine schleifen könnten, so dass sie sich einfügen ließen in die Mauern und zugleich leuchten. So werden alle menschlichen Dimensionen übertroffen. Eine solche Stadt kann nur von Gott kommen. Sie ist reines, wunderbares, farbenprächtiges Licht. Verklärte Materie. Gott alles in allem. Kein Dunkel. Kein Leid. Nichts Böses. Sondern nur das helle, warme Licht, eben wie durch geschliffene Edelsteine gebrochen, das Leben schenkt und ungetrübte Lebensfreude.

Die leuchtenden Edelsteine als verklärte Wundmale

Da wundert es nicht, wenn in einem kühnen Bild die geistliche Tradition die Edelsteine als Vorausschau künftiger Vollendung in Gott mit den Wundmalen des auferstandenen Herrn verglich. So dichtet Friedrich Spee in seinem Osterlied „Ist das der Leib, Herr Jesus Christi“: Der Leib ist klar, klar wie Kristall, Rubinen gleich die Wunden all.

Die wahren Edelsteine sind die Wundmale, „die leuchten in Herrlichkeit“, wie es beim Bereiten der Osterkerze heißt. Denn die neue Stadt wird gegründet auf das verklärte Leid. Die Wunden sind nicht verschwunden und getilgt. Sie leuchten vielmehr wie diese herrlichen Edelsteine der künftigen Gottesstadt. Sie sind der Zufluchtsort für die Menschen, die sich ein Leben jenseits des Todes erhoffen. Das verklärte Leid und der verklärte Mensch sind ein anziehendes und strahlendes Bild für den österlichen Sieg über den Tod.

Wie Verklärung geschieht, so dass sie zum Fundament wird

Diese Vision vom verklärten Leiden in die strahlende Schönheit Gottes kann nur gelingen,

  • Wenn wir nicht Sündenböcke suchen und einander anklagen in der Krise, um uns der Verantwortung zu entledigen.

  • Wenn wir den Mut haben mit Christus abzusteigen in das Reich des Todes, um das Ausmaß des Leids ganz zu ermessen.

  • Wenn wir das Leid der Krise nicht als Einzelschicksale betrachten, sondern als ein Leid, das alle betrifft und deshalb die Antwort einer erneuerten Menschheit verlangt.

  • Wenn die wunderbare Solidarität und Hilfsbereitschaft der vergangenen Wochen weiter anhält und unser Zusammenleben verwandelt und prägt.

Der Traum vom neuen Jerusalem beginnt heute Nacht Wirklichkeit zu werden

Dann werden die Wunden verklärt. Dann wird die neue Gottesstadt, die vom Himmel her kommen will, schon jetzt ansatzweise in dieser Welt erfahrbar. Die lebensfrohe Stadt, in der das geschlachtete Lamm Gottes steht, und in der alle Tränen abgewischt werden. Die leuchtende Stadt, in der es keine Nacht mehr gibt. Denn seit Ostern ist wird der Herr, der das Dunkel besiegt hat, in ihr alle erleuchten, die auf ihn hoffen und an ihn glauben.

Gott hat in Christus den Grundstein zu dieser herrlichen Stadt gelegt. An uns ist es seit dieser Nacht gut weiterzubauen. Der Traum vom neuen Leben ist nicht ausgeträumt. Er beginnt erst jetzt. Mit uns. Hier und heute. Halleluja!