Sie ließen sich nicht lähmen von Existenzängsten, Kriegsfolgen, Zukunftssorgen, Geldproblemen, obwohl diese ständig real da waren. Niemand soll die heutigen Ängste kleinreden, die Sorgen um den Arbeitsplatz, die Renten, die Bildung, die Kaufkraft, die Sicherheit, die Kredite, die Kriege, die Umwelt, die politischen Geisterfahrer, sowohl Wähler wie auch zu Wählende. Verständlicherweise erscheint die eigene persönliche Not immer als die Schlimmste. Aber dass keine vergleichbare Zuversicht mehr herrscht, kein Optimismus, keine Aufbruchstimmung in einer Zeit, in der alles immer noch trotz allem relativ friedlich, ruhig und wohlhabend ist, macht ratlos. Und wenn dann politischen Propagandisten blinder Glaube geschenkt wird, jedoch die Kirchen im öffentlichen Diskurs gar nicht mehr wahrgenommen werden, wird eine deutliche Schieflage sichtbar. Dabei hat die christliche Botschaft früheren Generationen sehr wohl Zuversicht und Gelassenheit geschenkt. Denn allen Widrigkeiten zum Trotz sieht ein Christ als den eigentlichen Herrn der Geschichte Jesus Christus. Sein Titel „Pantokrator“, Allherrscher, zeigt, dass die ganze Schöpfung in seiner Hand ist und dass er als der eigentliche Herrscher geglaubt wird, der die Menschheit zu Gott dem Vater führen will und wird. Der Gläubige hofft nicht auf einen guten Ausgang der Geschichte, sondern weiß sich bereits auf der Seite des Siegers, der nicht siegen wird, sondern bereits gesiegt hat. So wie früher in den romanischen Kirchen ist auch in allen orthodoxen Kirchengebäuden in der zentralen Kuppel Christus, der Pantorkrator mit ausgebreiteten Händen dargestellt. Er trägt allerdings keine Herrschaftsinsignien, sondern hält das Evangelienbuch und segnet mit seiner Rechten. Oft ist das Evangelium auch aufgeschlagen mit dem Text: „Kommt alle zu mir, die ihr euch müht und beladen seid, ich will euch erquicken.“ So segnet aus der Kirchenkuppel Christus alle, die zu ihm eilen, zu ihm aufblicken und von ihm allen Beistand und allen Segen erwarten.
Erzpriester Martinos Petzolt