Eine junge Frau verliebt sich in einen jungen Mann. Dieser Mann ist ein Flüchtling, er kam mit seinen Eltern in das Land. Das spielte aber keine Rolle, die Familie war in der Fremde gut aufgenommen worden und die junge Frau heiratete ihn. Allerdings hatten sie nur eine kurze glückliche Zeit zusammen, denn ihr Mann starb schon früh. Kinder hatten sie noch keine bekommen. Sie war nun Witwe wie ihre Schwiegermutter, denn auch ihr Schwiegervater war bereits vor längerer Zeit verstorben. Die Schwiegermutter wollte nun in ihre Heimat zurück. Für die junge Frau war es keine Frage, dass sie sie nicht allein gehen lässt. Beide Witwen zogen also in das Land, woher die Schwiegermutter kam. Jetzt war die junge Frau als Fremde in dem Land angekommen, aus dem ihr verstorbener Ehemann stammte. Als Frauen und als Witwen, zudem die junge Frau als Fremde, hatten sie es dort zunächst sehr schwer. Sie mussten schauen, dass sie zumindest vom Armenrecht leben konnten. Mit viel Mut und durch die Unterstützung eines vertrauenswürdigen Mannes schafften sie es, sich einen Stand zu erarbeiten und integriert zu werden.
Dies ist keine Geschichte aus der heutigen Zeit, auch kein Märchen aus 1001 Nacht. Es ist die Geschichte von Rut, die in der Bibel in dem gleichnamigen Buch zu finden ist. Rut stammt aus Moab, wo die geflüchtete Familie aus Judäa freundlich aufgenommen worden ist. Als Rut als Moabiterin selber nach Judäa in die Stadt Betlehem kommt, wird sie dort als Fremde zunächst sehr abweisend behandelt. Man geht davon aus, dass diese Geschichte keine historische Begebenheit ist, sondern dass mit dieser Erzählung die alten biblischen Rechtstraditionen neu ausgelegt werden sollten. Und die Auslegung geschieht lebensförderlich zugunsten von fremden Frauen!
Kommende Woche ist am 20. Juni der Weltflüchtlingstag. Diskussionen um Flucht und Flüchtlinge werden nicht nur an diesem Tag geführt werden. Die Erzählung von Rut kann dazu ein Impuls sein, diese Diskussionen in einem lebensfreundlichen Sinn zu führen und genauso auch die entsprechenden Verordnungen und Gesetze in einem lebensförderlichen Sinn anzuwenden.
Felix Lamprecht, Pastoralreferent in der Pfarreiengemeinschaft Würzburg Ost