Irgendwie scheint der November der Buhmann unter den Monaten zu sein. Zahlreiche Gedichte sprechen von ihm in düsteren Worten, bezeichnen ihn als grau und trist, lassen den Leser die einziehende Winterkälte förmlich spüren. Und dann auch noch diese ganzen ernsten Feiertage... Nun bin ich grundsätzlich ein Sommermensch. Dennoch möchte ich heute eine Lanze brechen für den November. Mit seiner Stellung im Jahresverlauf könnte er uns als Übergangszeit dienen: Hinter uns liegen der Sommer und der Neuanfang des Arbeitsjahres, der Schulstart, die Zeitumstellung als endgültige Ankündigung des Winterhalbjahres. Zugleich kündigt sich bereits die Advents- und Weihnachtszeit an, für die wir vorausdenken und planen wollen oder müssen. Jetzt, im November, könnten wir vielleicht nochmal einen Gang zurückschalten. Von schönen Urlaubserlebnissen erzählen. Begegnungen im Geiste wiederholen. Die Ruhe genießen, bevor die (unnötige) Hektik der Wochen im Dezember beginnt. Die Schönheit der morgendlichen Nebelschwaden bewundern, anstatt uns über sie zu ärgern.
Die besondere Prägung des Novembers kann uns dabei helfen. Feiertage wie Allerheiligen, Allerseelen, Totensonntag, Volkstrauertag mögen einen Beigeschmack von Schwere haben – doch sie bewahren ein wertvolles Gut, das wir brauchen: die positive Erinnerung. Erinnerung an Menschen, an Ereignisse, an unsere Geschichte in Welt, Glaube und im persönlichen Leben. „Die Erinnerung ist eine Form der Begegnung“, sagt der philosophische Dichter Khalil Gibran. Erfreulicherweise besuchen hierzulande an Allerheiligen und Allerseelen noch immer zahlreiche Menschen die Friedhöfe. Dort findet Begegnung statt. In der Erinnerung und im Jetzt. Solche Begegnungen tun gut. Vielleicht kann der November sein Image etwas aufpolieren, wenn er zum Monat des Ausruhens, der Erinnerung und der Begegnung für uns wird.
Kerstin Gerlach, Pastoralreferentin in der Ökumenischen Klinikseelsorge am Klinikum Aschaffenburg-Alzenau