Ich gebe es zu, ich gehöre zu den Menschen, die mit ihren Pflanzen reden. Wenn ich sie betrachte, gieße oder dünge, dann hab ich auch ein paar nette Worte für sie übrig. Nicht dass ich auf eine Antwort warte. Aber ich glaube zu sehen, wie es ihnen geht. Die meisten Pflanzen danken es mir. Sie wachsen und gedeihen am Fenster, auf dem Balkon oder im Garten. Besonders zum Frühlingsanfang hab ich da viel zu tun.
Um so mehr tut es mir weh, wenn es einer Pflanze nicht gut geht, wenn sie nicht wächst oder keine Früchte bringt. Oder wenn sich Schädlinge auf ihr verbreiten. Dann versuche ich mit allen möglichen Haus- und anderen Hilfsmitteln, dass es ihr wieder besser geht.
Aber manchmal hilft alles nichts. Der Schritt zur Entscheidung eine Pflanze in die Bio-Tonne zu werfen oder kleinzuhacken, fällt mir schwer. Manchmal muss aber diese Entscheidung getroffen werden.
Lieber möchte ich ihr noch mal eine Chance geben. Noch mal warten. Noch mal Geduld haben mit ihr. Vielleicht stellt sich ja eine Besserung ein? Wenn die Rahmenbedingungen besser sind? Dann probiere ich so manchen Standortwechsel aus. Wer weiß, vielleicht hilft es ja?
Ich denke mir, so wie wir mit Pflanzen und Tieren umgehen, so gehen wir auch oft mit unseren Mitmenschen um. Dass ich sie ansehe, mit ihnen rede, schaue, was sie brauchen. Und wenn es mal eine Verstimmung oder Misstöne zwischen uns gibt, dann freuen wir uns beide, wenn wir uns eine zweite Chance geben.
Im Sonntagsevangelium erzählt Jesus das Gleichnis vom Feigenbaum, der keine Früchte bringt. Der Besitzer will ihn fällen, der Winzer setzt sich noch mal für ihn ein: Herr, lass ihn dieses Jahr noch stehen!
Eine zweite Chance haben alle verdient - der Feigenbaum im Gleichnis und auch wir, ob in der Familie, im Beruf oder im Freundeskreis. Und nicht zuletzt verspricht uns Jesus, dass auch Gott uns immer wieder eine zweite Chance gibt, so wie der Winzer dem Feigenbaum. Vielleicht ist dies eine besondere Motivation für uns in der Fastenzeit.
Sabine Mehling-Sitter, Gemeindereferentin im Pastoralen Raum Ochsenfurt und in der Frauenseelsorge des Bistums