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Impulse

Unterschiedlichste Autoren im Bistum Würzburg veröffentlichen regelmäßig spirituelle Texte in Tageszeitungen, im Internet oder in Druckwerken. Die Interpretationen der christlichen Botschaft bestärken im Glauben, im alltäglichen Leben und regen zum Nachdenken an. Einige dieser Texte stellen wir hier für Sie zusammen.

Gedanken zum Evangelium - 9. Sonntag im Jahreskreis

Großzügiger geht nicht

Jesus war Jude, er hat den Sabbat geheiligt. Wir sind Christen, wir heiligen den Sonntag. Warum ist das so? Und sind Sabbat und Sonntag eigentlich quasi dasselbe, nur an einem anderen Wochentag?

Evangelium

An einem Sabbat ging Jesus durch die Kornfelder und unterwegs rissen seine Jünger Ähren ab. Da sagten die Pharisäer zu ihm: Sieh dir an, was sie tun! Das ist doch am Sabbat nicht erlaubt.

Er antwortete: Habt ihr nie gelesen, was David getan hat, als er und seine Begleiter hungrig waren und nichts zu essen hatten, wie er zur Zeit des Hohepriesters Abjatar in das Haus Gottes ging und die Schaubrote aß, die außer den Priestern niemand essen darf, und auch seinen Begleitern davon gab? Und Jesus sagte zu ihnen: Der Sabbat wurde für den Menschen gemacht, nicht der Mensch für den Sabbat. Deshalb ist der Menschensohn Herr auch über den Sabbat.

Als er wieder in die Synagoge ging, war dort ein Mann mit einer verdorrten Hand. Und sie gaben Acht, ob Jesus ihn am Sabbat heilen werde; sie suchten nämlich einen Grund zur Anklage gegen ihn.

Da sagte er zu dem Mann mit der verdorrten Hand: Steh auf und stell dich in die Mitte! Und zu den anderen sagte er: Was ist am Sabbat erlaubt – Gutes zu tun oder Böses, ein Leben zu retten oder es zu vernichten? Sie aber schwiegen. Und er sah sie der Reihe nach an, voll Zorn und Trauer über ihr verstocktes Herz, und sagte zu dem Mann: Streck deine Hand aus! Er streckte sie aus und seine Hand wurde wiederhergestellt.

Da gingen die Pharisäer hinaus und fassten zusammen mit den Anhängern des Herodes den Beschluss, Jesus umzubringen.

Markusevangelium 2,23 – 3,6

Jesus macht im Evangelium dieses Sonntags am Sabbat etwas, das ein gläubiger Jude nicht tun darf: arbeiten – egal, ob in Form von Ährenabreißen oder in Form von Heilen. Das klingt für unsere Ohren albern, kleinlich. Ist es vielleicht auch. Obwohl der Sabbat an sich überhaupt nicht albern oder kleinlich ist. Er ist die Großzügigkeit schlechthin.

Es gab ein paar Dinge, die das Volk Israel von seinen Nachbarn schon äußerlich erkennbar unterschied. Eines dieser Dinge war der Sabbat. Dass regelmäßig an einem Tag in der Woche Arbeitsruhe herrschte, das war anderswo nicht üblich. Zumindest nicht für Knechte und Mägde, schon gar nicht für Sklaven. Bedient werden wollen die Herrschaften ja jeden Tag!

Das Volk Israel hingegen sagte: Alle sollen ruhen. „Du und dein Sohn und deine Tochter und dein Sklave und deine Sklavin und dein Rind und dein Esel und dein ganzes Vieh und dein Fremder in deinen Toren“, so heißt es in der Lesung aus dem Buch Deuteronomium. Eine soziale Revolution. Sogar für die Tiere, die hier als Mitgeschöpfe verstanden werden und nicht als eine Sache, die der Mensch für seine Zwecke ausbeuten darf. Wenn der Bauer ruht, ruhen auch seine Sklavin und sein Ochse. Unfassbar.

Eine solch großzügige Gesetzgebung bedurfte natürlich einer Begründung – zumal es aus (land-) wirtschaftlicher Sicht sicher sehr gute Gründe dagegen gab. Die Bibel wählt die höchstmögliche Begründungsinstanz: Gott will es! Und zwar deshalb, weil er am eigenen Leib (ja, schiefes Bild) erfahren hat, dass arbeiten anstrengend ist. Er selbst hatte nach sechs harten Schöpfungstagen eine Pause gebraucht. Und wenn Gott schon eine Pause braucht, wie viel mehr dann der Mensch.

Vergesst nicht, wie es war, als ihr schuften musstet

Und so wurde der Sabbat zu einem frohen Festtag. Man besuchte das Heiligtum, also den Tempel, einen Kultort oder später die Synagoge. Man feierte Gottesdienst, um zu danken und zu bitten. Und man erholte sich im Kreis der Familie. Wobei es in der Praxis doch wohl nicht selbstverständlich war, dass das auch für Sklaven galt; die hat man schließlich dafür gekauft, dass sie arbeiten, nicht selten bis zum Umfallen. Wenn also grundsätzlich auch Sklaven ruhen sollen, dann musste das nochmal extra begründet werden – und was eignete sich da besser als die eigene Erfahrung? Ihr selbst wart Sklaven in Ägypten, betont das Buch Deuteronomium. Da haben eure Vorfahren doch erlebt, wie grausam das ist. Vergesst es nicht, auch wenn es lange her ist.

Dass der Sabbat ein wichtiges Unterscheidungskriterium war, bot aber auch Gefahrenpotenzial. Denn besonders in Zeiten der politischen Unterdrückung wurde der Wunsch immer größer, sich noch mehr zu unterscheiden. Sich als geliebtes Volk Gottes noch deutlicher abzugrenzen von den bösen heidnischen Völkern. Das führte dazu, dass die Sabbatpraxis immer strenger wurde. Nicht nur echte Arbeit wurde verboten, sondern so gut wie alles Tun. Bis ins kleinste Detail gingen die Regelungen und wurden oft zu einer reinen Äußerlichkeit. Darauf machte Jesus aufmerksam: Der Sabbat ist für den Menschen da, nicht der Mensch für den Sabbat. Was Strenggläubige wieder als lax empfanden, als Anpassung an den Zeitgeist.

Jesus war aber nicht lax. Er achtete den Sabbat, ging in die Synagoge. Ganz sicher war der Sabbat für ihn ein besonderer Tag – reserviert für Gott, für das Ausruhen, das Schöne. Und so blieb es für seine Jüngerinnen und Jünger auch nach dem Tod und der Auferstehung Jesu, wie die Apostelgeschichte erzählt. Auch für die ersten Christen war der Sabbat der Ruhetag, an dem man sich dankbar an die Schöpfungstat Gottes erinnerte.

Allerdings kam für sie ein zweiter Tag hinzu: der Tag nach dem Sabbat, der Tag, an dem Christus auferstand. Er wurde zum „Tag des Herr n“ – und so heißt unser „Tag der Sonne“ im Italienischen (und ähnlich in allen romanischen Sprachen) „domenica“ nach dem lateinischen Wort Dominus.

Der Tag des Herr n war allerdings nicht gekennzeichnet durch Arbeitsruhe. Nein, er war Arbeitstag und das störte auch niemanden. Zum Tag des Herr n wurde er, weil sich die Christen vor oder nach der Arbeit zum Mahl des Herrn versammelten. In Privathäusern trafen sie sich, erzählten von Jesus, sangen Psalmen, beteten, brachen das Brot und teilten den Wein.

Die Römer machten aus zwei Ideen eine

Sabbat und Sonntag: Nein, sie sind nicht quasi dasselbe. Das scheint nur so, weil vor gut 1700 Jahren die Römer das Christentum zur Staatsreligion und gleichzeitig den Sonntag zum offiziellen Ruhetag erklärten. Was natürlich naheliegend ist, aber der Kern des Sonntags ist die Arbeitsruhe trotzdem nicht.

Was bedeutet das für uns heute? Erstens bedeutet es einen weiteren Punkt, für den wir den Juden, unseren älteren Geschwistern, danken können. Sie haben es erfunden, dass Mensch und Tier, Direktorin und Lohnarbeiter, Einheimische und Fremder an einem Tag der Woche gemeinsam ausruhen sollen. Heute wie damals gibt es viele wirtschaftliche Gründe, die dagegensprechen. Und, ja, ausruhen kann man auch am Dienstag oder Donnerstag, schließlich haben wir moderne Arbeitsschutzgesetze. Was aber dann verloren geht, ist etwa dies: Wenn alle an demselben Tag ruhen, ist es insgesamt ruhiger. Und alle können gemeinsam den arbeitsfreien Tag genießen.

Zweitens gilt, was Jesus sagt: Einsatz für andere muss immer möglich sein. Für Hungernde und Kranke, für Notleidende und Trauernde. Der Sabbat ist für den Menschen da, nicht der Mensch für den Sabbat; die Regel ist gut, die Ausnahme auch.

Drittens ist die Eucharistiefeier Ursprung und Kern des christlichen Sonntags. Wer zu Recht darauf pocht, in der Kirche wieder mehr zu den biblischen Ursprüngen zurückzukehren, dem sollte das zu denken geben: Was die ersten Christen zusammenführte, war die sonntägliche Feier des Herrenmahls. Wenn sie mehr und mehr verschwindet, kratzt das an der Substanz.

Susanne Haverkamp