Evangelium
In jener Zeit, als die Leute sahen, dass weder Jesus noch seine Jünger am Ufer des Sees von Galiläa waren, stiegen sie in die Boote, fuhren nach Kafarnaum und suchten Jesus. Als sie ihn am anderen Ufer des Sees fanden, fragten sie ihn: Rabbi, wann bist du hierhergekommen?
Jesus antwortete ihnen: Amen, amen, ich sage euch: Ihr sucht mich nicht, weil ihrZeichen gesehen habt, sondern weil ihr von den Broten gegessen habt und satt geworden seid. Müht euch nicht ab für die Speise, die verdirbt, sondern für die Speise, die für das ewige Leben bleibt und die der Menschensohn euch geben wird! Denn ihn hat Gott, der Vater, mit seinem Siegel beglaubigt.
Da fragten sie ihn: Was müssen wir tun, um die Werke Gottes zu vollbringen? Jesus antwortete ihnen: Das ist das Werk Gottes, dass ihr an den glaubt, den er gesandt hat.
Sie sagten zu ihm: Welches Zeichen tust du denn, damit wir es sehen und dir glauben? Was für ein Werk tust du? Unsere Väter haben das Manna in der Wüste gegessen, wie es in der Schrift heißt: Brot vom Himmel gab er ihnen zu essen.
Jesus sagte zu ihnen: Amen, amen, ich sage euch: Nicht Mose hat euch das Brot vom Himmel gegeben, sondern mein Vater gibt euch das wahre Brot vom Himmel. Denn das Brot, das Gott gibt, kommt vom Himmel herab und gibt der Welt das Leben.
Da baten sie ihn: Herr, gib uns immer dieses Brot! Jesus antwortete ihnen: Ich bin das Brot des Lebens; wer zu mir kommt, wird nie mehr hungern, und wer an mich glaubt, wird nie mehr Durst haben.
Johannesevangelium 6,24–35
Es ist heiß. Und laut. Und eng. Durch die kleinen Fenster weht nur ein schwacher Wind. Ich stehe im Keller des Osnabrücker Benediktinerinnenklosters an der Backmaschine, die fast den gesamten Raum ausfüllt. Seit Stunden laufen die zwölf Eisen im Kreis, alle paar Sekunden fällt eine hauchdünne Scheibe Brot heraus. Die Maschine pumpt, zischt und dröhnt.
So lange wie es das Kloster gibt, so lange backen die Benediktinerinnen hier Hostien. Ein- bis zweimal pro Woche werfen sie die große Backmaschine an. Heute möchte ich ihnen helfen – und zuschauen, wie die Hostien, die wir Woche für Woche im Gottesdienst nutzen, hergestellt werden.
Schwester Josefine ist neben mir. „Tun Sie mir bitte einen Gefallen: Wenn Sie sich verbrennen, scheuen Sie sich nicht, mir das zu sagen. Ich zeige Ihnen dann, wo der Wasserhahn ist und gebe Ihnen Brandsalbe“, sagt sie und legt mir beruhigend eine Hand auf die Schulter. Jetzt wird mir doch ein wenig mulmig zumute.
Schwester Josefine gibt mir dünne Baumwollhandschuhe, Ohrenschützer gegen den Lärm und einen kleinen Putzlappen. Es ist meine Aufgabe, die Eisen zu reinigen, bevor die Maschine neuen Teig einfüllt. Die Deckel der Eisen öffnen sich automatisch. Entweder fällt die dünne Hostienplatte von allein heraus oder Schwester Josefine, die am Kopf der Maschine sitzt, hilft mit einem Pfannenwender nach. Mir bleiben einige Sekunden, um die Platte zu putzen, ehe wieder Teig darauf gegeben wird und der Deckel des Eisens sich schließt.
Das Putzen ist nötig, denn die Hostien sollen gut aussehen: gleichmäßig in der Form, leicht gebräunt, ohne eingebackene Teigreste. An den Rändern des Eisens bleiben häufig kleine Klumpen kleben, so wie sie auch beim Backen von Waffeln entstehen. Oder winzige Teigreste bleiben in den Prägungen auf den Eisen. Die wische ich mit meinem Lappen zur Seite. Manchmal muss ich mit dem Tuch richtig schrubben, um alles wegzuputzen.
150 bis 180 Grad ist so eine Eisenplatte heiß – je nachdem, ob die Hostie dunkler werden oder hell bleiben soll. Die ungewohnte Arbeit und die Sorge vor Brandblasen treibt mir Schweißtropfen auf die Stirn.
Die Arbeit kostet Kraft
Seit ihrem Klostereintritt vor sieben Jahren arbeitet Schwester Josefine in der Hostienbäckerei. Ihr helfen zwei weitere Schwestern und zwei Angestellte. Doch normalerweise sitzt sie allein an der Maschine, holt die Brotplatten heraus, sortiert sie in Gestelle und hält die Eisen sauber.
Drei Stunden am Stück – mehr schafft auch sie nicht. „Wenn man die Arbeitsschritte verinnerlicht hat, ist es einfach. Zugleich muss ich immer hochkonzentriert bleiben. Das macht es wiederum auch anspruchsvoll“, sagt sie.
Die Arbeit in der Bäckerei hat sie sich nicht ausgesucht – aber sie ist froh, hier sein zu können. „Die Eucharistie ist mir, als Benediktinerin vom Heiligsten Sakrament, unheimlich wichtig. Sie ist mein Tageshöhepunkt, ein ganz besonderer Schatz“, sagt sie. „Jetzt mitverantwortlich zu sein für die Bäckerei, fügt sich für mich zu einem großen Ganzen.“
Manchmal spricht sie ein Gebet oder den Rosenkranz während der Arbeit. Sie hat es auch schon mit Hörbüchern versucht. „Aber das funktioniert bei der Lautstärke hier nicht so gut“, sagt sie. Mittlerweile erkennt sie auf den ersten Blick, ob eine Brotplatte für die größeren Priesterhostien geeignet ist. Und sie weiß, welche Wirkung das Wetter auf das Backen hat: „Wenn es schwül ist oder wir nach einem Gewitter große Temperaturunterschiede haben, merken wir das sofort. Dann zerbrechen die Platten leichter oder sind klebriger. Manchmal brauche ich dann die Drahtbürste, um die Eisen sauber zu halten“, sagt sie.
In der Woche produzieren sie im Kloster rund 90 000 Hostien, im Jahr 4,5 Millionen. Nach dem Backen kommen die Platten für zwölf Stunden in einen Befeuchtungsraum. „Frisch gebacken sind die Platten richtig knusprig. Um die Hostien ausstanzen zu können, brauchen wir aber eine gewisse Elastizität“, sagt Schwester Josefine.
Nach einer guten halben Stunde ist für mich Schluss an der Backmaschine. Mein Putzlappen ist voller klebriger Teigreste. Ich trage noch ein paar Gestelle mit Brotplatten in den Befeuchtungsraum, dann geht es an die Rüttelmaschine. Hier werden beschädigte oder rissige Hostien, die am Vortag gebacken und am Morgen ausgestanzt wurden, aussortiert. „Wenn es richtig gut läuft und ich sehr konzentriert bin, schaffe ich es, 15 000 Hostien in der Stunde zu prüfen“, sagt Schwester Josefine. So schnell bin ich nicht, aber immerhin entdecke ich die meisten Hostien, die kleine Macken haben, ehe sie über das Band in eine Box fallen.
Die Benediktinerinnen haben deutschlandweit Kunden. Immer mehr Hostienbäckereien in Klöstern müssen schließen. „Wir sind ein Wirtschaftsbetrieb. Wir müssen auch auf die Zahlen und Umsätze schauen“, sagt Schwester Josefine. Wenn die große Backmaschine irreparabel kaputtgehe, würden vermutlich auch in Osnabrück keine Hostien mehr gebacken werden. „So eine Maschine kostet neu um die 100 000 Euro. Das können wir nicht erwirtschaften.“ Zugleich werden die Ordensfrauen in den Klöstern immer älter. „Eine 75-Jährige schafft die Arbeit an der heißen Maschine über viele Stunden einfach nicht.“
Ein Stoßgebet für die Gemeinden
Doch auch die Gemeinden bestellen seltener Hostien. Weniger Gläubige kommen in die Kirche. „Wenn eine Gemeinde seltener bestellt, dann schicke ich manchmal ein Stoßgebet zum Himmel, dass es den Leuten dort gut geht“, sagt Schwester Josefine. Es schmerzt sie, dass die Eucharistie in den Hintergrund rückt. „Es ist das Brot des Lebens. In der Eucharistie begegnen wir Gott auf so vielfältige Weise: in den Schriften, im Gesang, im Gebet, in der Zusage ‚Der Herr sei mit euch‘.“ Sie spürt eine tiefe Sehnsucht nach der täglichen Eucharistiefeier. „Wenn ich die Hostie in den Händen halte, ist Christus mir unmittelbar nah, er ist in mir und er bleibt in mir“, sagt Schwester Josefine.
Sie wünscht sich, dass die Menschen neugieriger auf die Eucharistie werden und wohlwollend damit umgehen. Denn auch wenn weniger kämen, bleibe die Feier doch der Höhepunkt unseres Glaubens. Schwester Josefine bleibt hoffnungsvoll: „Wir werden vermutlich noch weniger werden, aber so lange es Christen gibt, wird es auch die Eucharistie geben. Jeder Gottesdienst, in dem wir das Brot brechen, hält die Eucharistie hoch. Und auch wenn einige nur noch zu Weihnachten oder Ostern in die Kirche kommen, bin ich mir sicher, dass diese Feier nicht spurlos an ihnen vorbeigeht.“
Zum Abschied drückt Schwester Josefine mir noch einen großen Sack mit Resten von Brotplatten in die Hand. „Zum Knabbern“, sagt sie. Und: „Ab sofort werden Sie eine Hostie nie wieder einfach hinnehmen. Sie wissen jetzt, wie viel Arbeit da drinsteckt – und wie wertvoll sie ist.“ Recht hat sie.
Kerstin Ostendorf