Ein nicht so bekannter Song der britischen Band „Rolling Stones“ ist der Titel „You’ll Never Make A Saint Of Me“. Für eine Rockband hat der Songtext einen überraschend religiösen Inhalt: Der Song handelt von Paulus, der nach einem himmlischen Lichtwunder vom leidenschaftlichen Christenverfolger zum begeisterten Apostel wurde, und von Augustinus, der sein ausschweifendes und lustvolles Leben aufgab für Gott. Das alles wird mit Bewunderung erzählt. Mick Jagger schließt mit dem Gedanken: Es kann ja sogar sein, dass so etwas tatsächlich vorkommt, eine radikale Umkehr in deinem Leben. Dann kommt jedoch sein „Aber“: Für mich ist das völlig unvorstellbar! „You’ll Never Make A Saint Of Me - Du wirst nie einen Heiligen aus mir machen!" Ich werde immer das bleiben, was ich bin, ein Mensch auf seinem alten eingefahrenen Gleis.
Wahrscheinlich sind viele von Ihnen insgeheim mit den Stones einer Meinung: „Aus mir wirst du auch keinen Heiligen machen!" Fühlen Sie sich denn zu heroischen Taten berufen? Die meisten von Ihnen haben vermutlich keine dramatische Bekehrung hinter sich. Anstelle einer radikalen Veränderung bekommen wir in unserem Leben nicht einmal unsere kleinen und lästigen Angewohnheiten und Fehler unter Kontrolle. Wenn Mick Jagger singt: „Aus mir wirst du nie einen Heiligen machen", klingt das auf den ersten Blick sehr realistisch und zugleich bescheiden. Und doch ist der Satz so gesehen ein Eingeständnis, wie wenig Entwicklungspotential man sich selbst zutraut.
Am 31. Oktober feiert die evangelische Kirche das Reformationsfest und am 1. November feiern die Katholiken das Fest Allerheiligen. Der enge zeitliche Zusammenhang kann uns daran erinnern, dass Martin Luther die Botschaft des Apostels Paulus wieder freigelegt hat: Heiligkeit ist kein Privileg für ein paar besonders eifrige Beter und Schaffer, sondern allein der Glaube an Jesus Christus macht heil und dadurch heilig.
Vermutlich wird es bei den meisten von Ihnen ruhiger und weniger spektakulär zugehen als bei Paulus oder Augustinus. Aber auch Ihr und mein Leben kann und wird ein heilsamer Weg sein, ein Weg zur „Heiligkeit“, wenn man so will, wenn wir nur das tun, was der Gründer von Taizé, Prior Roger Schutz, so ausgedrückt hat: „Lebe das vom Evangelium, was du verstanden hast!" Und ich möchte hinzufügen: nicht mehr, aber auch nicht weniger. Wir sind alle von Gott berufen, zu Seligen und Heiligen zu werden, auf unsere je eigene, sehr menschliche Weise.
Matthias Lotz, katholischer Pfarrer in Höchberg