Evangelium
In jener Zeit sagte Johannes, einer der Zwölf, zu Jesus: Meister, wir haben gesehen, wie jemand in deinem Namen Dämonen austrieb; und wir versuchten, ihn daran zu hindern, weil er uns nicht nachfolgt.
Jesus erwiderte: Hindert ihn nicht! Keiner, der in meinem Namen eine Machttat vollbringt, kann so leicht schlecht von mir reden. Denn wer nicht gegen uns ist, der ist für uns. Wer euch auch nur einen Becher Wasser zu trinken gibt, weil ihr zu Christus gehört – amen, ich sage euch: Er wird gewiss nicht um seinen Lohn kommen.
Wer einem von diesen Kleinen, die an mich glauben, Ärgernis gibt, für den wäre es besser, wenn er mit einem Mühlstein um den Hals ins Meer geworfen würde. Wenn dir deine Hand Ärgernis gibt, dann hau sie ab; es ist besser für dich, verstümmelt in das Leben zu gelangen, als mit zwei Händen in die Hölle zu kommen, in das nie erlöschende Feuer. Und wenn dir dein Fuß Ärgernis gibt, dann hau ihn ab; es ist besser für dich, lahm in das Leben zu gelangen, als mit zwei Füßen in die Hölle geworfen zu werden. Und wenn dir dein Auge Ärgernis gibt, dann reiß es aus; es ist besser für dich, einäugig in das Reich Gottes zu kommen, als mit zwei Augen in die Hölle geworfen zu werden, wo ihr Wurm nicht stirbt und das Feuer nicht erlischt.
Markusevangelium 9,38–43.45.47–48
In den Schriftlesungen an diesem Sonntag tauchen gleich drei Personen auf, die über Glaubensdinge sprechen, obwohl sie dazu nicht befugt sind. Da sind Eldad und Medad, die prophetisch reden, ohne dass sie zu jenen gehören, die beim Offenbarungszelt dafür beauftragt wurden. Das findet Josua, der Diener des Mose, nicht in Ordnung. Und im Markusevangelium ärgern sich die Jünger Jesu darüber, dass jemand im Namen ihres Meisters lehrt, der nicht zu ihrem Kreis gehört. Das verunsichert sie, denn sie sind es doch, die Jesus dazu berufen hat.
Der Streit darüber, wer verkündigen darf, dauert bis heute an. Natürlich ist bei manchen selbsternannten Predigern Skepsis geboten, aber Erwin Kräutler sieht vor allem das Negative der Angst vor unautorisierten, ja, ungeweihten Personen und fragt: „Wer kann denn Gott vorschreiben, auf welche Weise oder über wen er sich uns mitteilt?“
Der 85-Jährige gehört zur Ordensgemeinschaft der Missionare vom Kostbaren Blut. Mit 26 Jahren ging er nach Brasilien ins Amazonasgebiet, wurde 1981 zum Bischof geweiht und leitete bis 2015 die Diözese Xingu, die größte Diözese Brasiliens mit einer Fläche so groß wie Deutschland. In Lateinamerika hat er erlebt, wie Menschen ohne Theologiestudium und Weihe zu glaubhaften Verkünderinnen und Verkündern des Wortes Gottes geworden sind.
„Wie ein Überirdischer“
Im Amazonasgebiet sind die Gemeinden sehr weit voneinander entfernt und es gibt sehr wenige Priester. „Schon in meiner Anfangszeit Ende der 1960er-Jahre war es ganz normal, dass ein Priester nur alle ein, zwei oder mehr Jahre in einer Gemeinde vorbeikam“, sagt Kräutler. Die Art von Seelsorge, die er zu dieser Zeit erlebt hat, beschreibt er als „desobriga“, als „Erledigung“ – und meint das nicht positiv: Ein Priester, der meist am Hauptort seiner riesigen Pfarrei Dienst tat, reiste „von Zeit zu Zeit flussauf- und abwärts, um die Sakramente zu spenden, also seine Mission zu erledigen“, sagt Kräutler. Er habe längst geschlossene Ehen gesegnet, Kinder getauft und „in lateinischer Sprache die Eucharistie gefeiert, die für die meisten Leute etwas Außergewöhnliches und Unverständliches war“, erklärt er. Dazu kam, dass der Priester den Leuten in seinem vorgeschriebenen hellen Talar „wie ein Überirdischer erschien“, so Kräutler. Glaube und Alltag waren getrennte Welten.
Das änderte sich nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil. Im Jahr 1972 beschlossen die Bischöfe des brasilianischen Amazonien neue Leitlinien für ihre Pastoral. An oberster Stelle stehen seitdem die sogenannten Basisgemeinden, die „primärer Raum des kirchlichen Lebens“ sind, sagt Kräutler. „Wo ein Priester, ein Bischof, eine Ordensschwester oder hauptberufliche Mitarbeiterin hinkommt, findet er oder sie eine Gruppe von Frauen, Männern und Jugendlichen, die Verantwortung für das Gemeindeleben übernommen haben, am Sonntag den Gottesdienst leiten, das Wort Gottes verkünden und auch auslegen.“
Verhindern – wie Josua oder die Jünger Jesu – will das kaum jemand mehr. Doch vor allem eine Sache ärgert den Bischof: „Dass aufgrund kanonischer Verbote, die längst revidiert gehören, die Eucharistiefeier in diesen Gemeinden weiterhin eine vor Jesus nicht verantwortbare Seltenheit ist.“ Bei der Amazonassynode 2019 hat er sich mit einem Großteil der lateinamerikanischen Bischöfe dafür eingesetzt, dass auch verheiratete Männer zu Priestern geweiht werden und Eucharistie feiern können. Ohne Erfolg.
Angst vor Autoritätsverlust
Das Leben in einer Basisgemeinde umfasst nicht nur Frommes, sondern auch den Einsatz für die Welt. Kräutler nennt es die prophetische Dimension. „Es geht nicht nur darum, das Elend, die Not, die Ausweglosigkeit vieler Mitmenschen und der indigenen Völker zu identifizieren, sondern die Ursachen der Ungerechtigkeit zu ergründen und anzuprangern“, sagt er. Dieses prophetische Auftreten habe Bischöfe, Priester, Ordensleute und besonders viele Laien das Leben gekostet. „Mehrere dieser Märtyrer habe ich persönlich gekannt“, sagt Kräutler.
Dass Basisgemeinden für ihr soziales Engagement, den Einsatz für Menschenrechte und die Schöpfung kritisiert wurden oder ihnen „mangelnde Kirchlichkeit“ vorgeworfen wurde, so „als ob die Basisgemeinden sich verselbstständigen und den Bischof links liegen lassen“, findet Kräutler falsch. Ihre Treue zum katholischen Glauben und zur Kirchenleitung steht für ihn außer Frage. Und er stellt sich klar auf die Seite des Mose: „Wenn doch nur alle Propheten würden!“ Und auf die Seite Jesu: „Hindert ihn nicht!“
Aber woher kommt das Misstrauen anderer? Kräutler sagt: „In einer Basisgemeinde kann sich niemand mehr den Besuch des Bischofs im mittelalterlichen Ornat vorstellen, mit Mitra und Stab und all den Insignien längst vergangener Zeiten.“ Er sieht die „Angst vieler Bischöfe, dass ihre Autorität beeinträchtigt wird, wenn sie nur als Brüder im Bischofsamt die Geschwister in einer Basisgemeinde besuchen und mit dem einfachen Volk Gottesdienst feiern und Mahl halten“.
Auch in dieser Hinsicht zieht er Parallelen zur biblischen Geschichte. „Eldad und Medad! Sind sie nicht unsere Geschwister?“, fragt Kräutler. „Wäre es nicht besser, sie nun endlich einzuladen, statt sie zum Schweigen zu bringen?“ Und: „Ich frage mich, ob die Erfahrungen der kirchlichen Basisgemeinden in Amazonien nicht doch noch imstande sein könnten, in einer säkularisierten Welt die Botschaft Jesu glaubhaft zu vermitteln.“
Barbara Dreiling