Der wunderbare Tausch als Zusammenfassung des Festgeheimnisses
„O admirabile commercium …“ – „O wunderbarer Tausch! Der den Menschen erschuf, nimmt menschliches Leben an und wird aus der Jungfrau geboren. Von keinem Mann gezeugt, kommt er in die Welt und schenkt uns sein göttliches Leben.“
So singt die Kirche in einer der schönsten Antiphonen der Weihnachtszeit. Das Geheimnis von Weihnachten wird zusammengefasst im Bild des Tausches. Ein wahrhaft wunderbarer Tausch. Denn getauscht wird nicht unter uns Menschen, sondern getauscht wird zwischen Gott und Mensch. Gott nimmt unser menschliches Leben an in seinem Sohn. Im Gegenzug erhalten wir Menschen dafür Anteil an seinem göttlichen Leben.
Wunderbarer oder nicht eher wunderlicher, weil ungleicher Tausch?
Ein wunderbarer Tausch? Oder nicht doch eher ein wunderlicher Tausch? Denn dieser Tausch ist so ganz anders als Tauschgeschäfte unter uns Menschen. Wenn wir tauschen, achten wir peinlich genau darauf, etwas Gleichwertiges zu bekommen. Denn nur dann ist es ja ein wirklicher Tausch. Wäre es anders, handelte es sich um ein Verlustgeschäft. Jeder Kaufmann, der nicht darauf achtete, eine gleichwertige Gegenleistung zu erhalten, würde sich strafbar machen. Er liefe Gefahr, verklagt zu werden, weil er das Vermögen des Unternehmens verschleudert.
Gott glaubt an den Nutzen des Tausches und an den Menschen
Aber an Weihnachten geschieht genau das: Gott bietet uns etwas ungleich Höherwertigeres an als wir ihm im Gegenzug dazu bieten könnten. Er verschleudert sein Vermögen. Aber warum sollte er das tun? Das hat doch nur dann einen Sinn, wenn er sich von dieser Investition einen ungleich höheren Nutzen verspräche. Genau das ist der Fall. Gott glaubt an uns Menschen. Er beschenkt uns mit seinen Gaben, weil nur so der Mensch seine ursprüngliche Würde wiedererlangt.
Gott tauscht, ohne zu täuschen
Das könnte einen argwöhnisch machen. Da stimmt doch etwas nicht? Eine so große Gabe ohne vergleichbare Gegengabe? Keine Angst. Gott will tauschen, ohne zu täuschen. Denn er handelt aus Liebe, und Liebe gibt es ohne Hintergedanken. Gott liebt fröhliche Geber und ist selbst ein fröhlicher Geber (2 Kor 9,7). Nur eines erhofft er, dass sein Geschenk nicht bedeutet, „Perlen vor die Säue zu werfen oder das Heilige den Hunden zu geben“ (Mt 7,6), wie es so drastisch in der Bergpredigt heißt. Er hofft, dass wir verstehen, wie sehr er an Weihnachten in Vorleistung tritt.
Der Tausch in Christus ist umfassend, er umfasst Orte, Rollen und Güter
Dabei ist der Tausch umfassend.
- In Christus tauscht Gott die Orte. Anstelle eines Palastes wählt er die Krippe (Lk 2,7). Denn er, der reich war, wird um unseretwillen arm, dass wir in ihm reich werden (2 Kor 8,9). Nur so brauchen wir uns unserer Armut nicht zu schämen. Nur so können wir ihn in den Armen erkennen.
- In seinem Tod tauscht er das Grab mit Josef von Arimathäa (Mt 27,60). Er liegt im neuen Grab des Josef, um das Grab zum Ort des Lebens zu machen. So zeigt er, dass unsere Gräber Orte der Auferstehung sind. Dass der Tod nicht das letzte Wort hat, sondern Durchgang wird zum neuen Leben.
- In Christus tauscht Gott die Rollen. Bei seinem Prozess wird er ausgetauscht gegen den Mörder Barabbas (Mt 27,26). Denn er nimmt unsere Schuld auf sich, um uns Menschen mit Gott zu versöhnen. Nur so können wir unsere Schuld bekennen und in ihm Vergebung erlangen.
- In seiner Passion nimmt er unsere Leiden auf sich, um uns durch seine Wunden zu heilen (1 Petr 2,24). Denn nur so müssen wir uns unserer Gebrechlichkeit und unserer Leiden nicht schämen, sondern uns in seinen Wunden bergen und in ihm Trost finden.
- In Christus tauscht Gott die Güter. Er tauscht unsere Ungeduld ein mit seiner unendlichen Geduld (Lk 13,8), damit wir nie verzweifeln, sondern immer wissen, dass wir umkehren können.
- Er tauscht unsere Hartherzigkeit ein gegen seine Barmherzigkeit (Lk 6,36), damit wir unsere Fehler zugeben können und gut mit den Grenzen der anderen umgehen lernen.
O wunderbarer Tausch, möchte man da ausrufen, und man kann nur staunen.
Auch wir müssen zum ungleichen Tauschen bereit sein
Der wunderbare Tausch bringt es mit sich, dass wir dem Herrn nichts Gleichwertiges anzubieten haben. Aber das braucht es auch nicht. Nur eines ist notwendig (Lk 10,42): Wir müssen bereit sein, unsererseits mit ihm zu tauschen.
Im Verweilen und im stillen Gebet an der Krippe dürfen wir ihm unsere Gaben darbringen, auch wenn sie uns noch so erbärmlich erscheinen:
- Tausche deine Armut ein gegen seinen Reichtum.
- Tausche deine Schuld ein gegen seine Vergebung.
- Tausche deine Ohnmacht ein gegen seinen Beistand.
- Tausche deine Bitterkeit ein gegen die Süßigkeit des neuen Lebens aus dem Geist.
- Tausche deine Leiden ein gegen den Zuspruch seiner heilenden Nähe.
- Tausche deine Verzagtheit ein gegen seine Zusage der Erneuerung dieser Welt.
- Tausche deine Hoffnungslosigkeit ein gegen seine unverbrüchliche Hoffnung.
O wunderbarer Tausch! Nutzen wir heute die Möglichkeit dieses Tausches. Denn nur so können wir mit Christus an Weihnachten als neue Menschen geboren werden.
Wer mit Gott getauscht hat, enttäuscht nicht länger
Wer mit Gott getauscht hat, enttäuscht die Menschen nicht länger. Wer mit Gott getauscht hat, glaubt daran, dass ihm nichts mehr unmöglich ist, auch wenn es noch so aussichtslos scheint. Denn das Maß ist nicht mehr der endliche Mensch. Das Maß ist nicht mehr „die Realität“ oder das, was wir dafür halten mögen. Das Maß ist Gott selbst. Auf ihn zu vertrauen ist die Ehre, die wir ihm heute schulden. Ja: „Ehre sei Gott in der Höhe!“
Wer dem Herrn in der Höhe die Ehre gibt, wer mit ihm getauscht hat, der macht „die erschlafften Hände wieder stark und die wankenden Knie wieder fest“ (Jes 35,3):
- Der glaubt an den weihnachtlichen Frieden, auch wenn der Krieg tobt.
- Der setzt sich ein für die Würde der Schwachen und Entrechteten, auch wenn sie scheinbar keine Chance haben.
- Der vertraut der Kraft der Wahrheit, auch wenn die Unwahrheit alles verdreht.
- Der sieht die Möglichkeit, diese Welt zu verändern, auch wenn es scheint, als wäre es sinnlos, einen neuen Versuch zur Veränderung zu starten.
Ja, wer mit Gott getauscht hat, enttäuscht die Menschen nicht länger.
Die Eucharistie als der sakramentale Tausch
Betlehem heißt übersetzt „Haus des Brotes“. Was in Betlehem geschah, geschieht jetzt auch in der Kirche, die in der Feier der Eucharistie zum „Haus des Brotes“ wird. Im Sakrament der Eucharistie begehen wir den wunderbaren Tausch. Wir bringen dem Herrn unsere irdischen Gaben von Brot und Wein. Der Herr verwandelt sie in der Kraft seines Geistes in seinen Leib und sein Blut. Lassen wir uns in der Kommunion vom Herrn mit seinem neuen Leben beschenken und von innen her verwandeln. Denn das wäre das schönste Lob, das man uns Christen an Weihnachten machen könnte, wenn die Leute über uns sagten: „Wahrhaftig, sie sind wie ausgetauscht!“ Amen.