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Advent und Weihnachten 2024

Unsere Artikel, Audio- und Videobeiträge zur Advents- und Weihnachtszeit 2024

Im Gespräch

„Ein Platz bleibt immer frei“

Weihnachten in der Justizvollzugsanstalt Würzburg – Wie Gefangene die Weihnachtstage erleben

Würzburg (POW) Manche Menschen verbringen Weihnachten in diesem Jahr nicht im Familienkreis, sondern isoliert von der Außenwelt: in Haft. Gefängnisseelsorgerin Doris Schäfer und Gefangene Sophia Weber, deren Name zum Schutz von der Redaktion geändert wurde, berichten im POW-Interview von ihren Erfahrungen in der Weihnachtszeit im Gefängnis.

POW: Wie läuft Weihnachten im Gefängnis ab?

Sophia Weber: An den Weihnachtstagen ist hier eigentlich nicht viel los, weil wir die meiste Zeit in unseren Zellen verbringen. Normalerweise haben wir zwischen 16.30 und 18.50 Uhr Aufschluss, wo wir beispielsweise kochen können. Und viele Frauen gehen auch zur Arbeit, ich arbeite in der Wäscherei. An Weihnachten sind die meisten Arbeitsbetriebe jedoch geschlossen. Es gibt aber eine Weihnachtsfeier an Heiligabend und einen Gottesdienst. Es werden auch Turniere gespielt, zum Beispiel Tischtennis, oder Kartenspiele wie „Skipbo“.

POW: Was sind Herausforderungen in der Weihnachtszeit im Gefängnis?

Weber: In erster Linie gibt es praktische Herausforderungen für uns Gefangene: Wer kauft was ein? Wer kauft dieses Mal Käse? Wer kauft Eier? Bei unserer Arbeit verdienen wir Geld. Ein Teil davon kommt zu unserem Überbrückungsgeld, für die Zeit nach dem Gefängnis. Der Rest fließt ins Hausgeld. Davon dürfen wir zweimal im Monat einkaufen. Wir bestellen die Artikel über eine Einkaufsliste mit Nummern, zum Beispiel 10720 für eine Packung Bonbons. Dabei sprechen wir uns untereinander ab. Und wir kaufen uns gegenseitig Geschenke. Es gibt auch die Möglichkeit, dass jemand von draußen einem ein „Weihnachtspaket“ einzahlt. Von diesem Weihnachtspaket können wir alles von Hygieneartikeln bis Süßigkeiten kaufen. Das ist quasi wie ein Weihnachtsgeschenk von draußen. Es ist aber auch oft so, dass wir uns gegenseitig Geschenke selber machen, zum Beispiel etwas häkeln. Ich habe mir auch schon was für dieses Jahr überlegt. Ich werde Stirnbänder oder Untersetzer häkeln. Wir dürfen davon leider nichts nach draußen schicken. Nur selbstgemachte Karten, Briefe oder Gedichte. Wir müssen außerdem planen, was wir kochen. Weil weniger Betrieb herrscht, können wir auch die Küche an Weihnachten nicht so lange benutzen wie sonst. Zu den logistischen Herausforderungen kommt hinzu, dass wir unsere Familien vermissen. Vor allem die gemeinsame Zeit. Oder nur mal spontan anrufen, um zu sagen: „Hey, ich vermisse euch. Ich liebe euch.“ Wir dürfen zweimal im Monat telefonieren, das muss man sich dann gut einteilen oder bis Weihnachten aufsparen. Aber auch die gemeinsame Zeit mit den anderen Frauen fehlt an Weihnachten. Hierfür haben wir aber Lösungen gefunden. Wir haben eine gemeinsame Weihnachtsfeier an Heiligabend. Und wir verabreden uns zum Teetrinken. Ein paar Frauen von uns haben das Glück, auf derselben Seite vom Hof zu sein. Wir haben uns überlegt, dass wir uns an Weihnachten in unseren Zellen an den Fenstern verabreden. Dann trinken wir gemeinsam Tee und essen Plätzchen und verbringen dann eben so die Zeit zusammen.

Doris Schäfer: Die Plätzchen werden teilweise selber gebacken. Einige bekommen die Gefangenen aber auch von Kindern aus der Pfarrgemeinde in Lindleinsmühle, die bei ihrem Kinderbibeltag für uns backen. Das ist immer etwas Besonderes. So sind die Kinder ein Stück weit dabei. Ich glaube, Heimweh spielt eine große Rolle. Meine Erfahrung ist, dass Weihnachten das größere Problem für die Frauen darstellt. Vor allem Frauen, die Kinder haben. Für die Männer ist Silvester das größere Problem, weil sie da Bilanz ziehen und überlegen, was im vergangenen Jahr war. Für viele Männer ist es immer noch schwierig, Gefühle zu zeigen. Die Station wird auch nicht so wie bei den Frauen geschmückt. Es gibt keinen Tannenbaum, weil es immer welche gibt, die ihren Frust daran auslassen. Viele Männer wollen, dass die Weihnachtszeit wie eine ganz normale Zeit rumgeht, damit keine Gefühle hochkommen. Die Frauen sind etwas kreativer und versuchen, sich mehr gegenseitig zu unterstützen.

POW: Spielt das gemeinschaftliche Zusammenleben eine Rolle in der Weihnachtszeit?

Weber: Ja, eine sehr große Rolle. Wir sind zwar eine Zwangsgemeinschaft, aber es ist doch so, dass die Gemeinschaft viel bedeutet. Harmonie ist ganz wichtig. Vor allem sieht man das bei der Weihnachtsfeier. Wir sind auf zwei Stockwerke verteilt und treffen uns mit den Frauen beider Stockwerke, um gemeinsame Zeit zu verbringen. Dann können wir miteinander beten, singen und einfach zusammen sein. Das ist schön und gibt auch nochmal Kraft für Weihnachten und Silvester.

POW: Wie verbringen Sie denn Silvester?

Weber: Auch an Silvester gibt es ein Turnier, im vergangenen Jahr war es Tischtennis. Um Mitternacht stehen wir jeweils an unseren Fenstern, beglückwünschen uns gegenseitig und schauen das Feuerwerk an. Am 1. Januar ist es wie draußen auch, da ruht man sich von der Silvesternacht aus.

POW: Welche Angebote gibt es in der Advents- und Weihnachtszeit?

Schäfer: Ich biete verschiedene Bastelaktionen an, bei denen die Gefangenen selbst Weihnachtskarten basteln können. Entweder als Geschenk für Ehrenamtliche, die sie besuchen, oder für ihre Familien. Gerade für die Kinder ist es schöner, wenn sie eine gebastelte Weihnachtskarte von ihrer Mama bekommen, als eine gekaufte. Neben der Dekoration der Station gibt es auch einen Adventskalender. Die Tütchen sind mit Sprüchen, Rätseln oder Geschichten gefüllt. Bei der Weihnachtsfeier an Heiligabend kommen Ehrenamtliche, die gemeinsam mit den Frauen feiern. Dann wünschen wir uns frohe Weihnachten in den unterschiedlichen Sprachen, die anwesend sind. Aber es fließen jedes Jahr auch Tränen beim Fest. Manche nehmen sich gegenseitig in den Arm und trösten sich.

Weber: Wir haben auch einen Projektchor, in dem wir weihnachtliche Lieder für den Gottesdienst vorbereiten. Jedes Jahr gibt es im Wechsel einen ökumenischen Gottesdienst mit dem katholischen Bischof oder der evangelischen Regionalbischöfin. In diesem Jahr kommt die evangelische Regionalbischöfin. Und wir dekorieren die Station. Es wird auch ein Weihnachtsbaum aufgestellt. Wir hängen Schmuck in der Küche auf, wie man es zuhause auch machen würde.

POW: Was sind Ihre Wünsche für die Weihnachtszeit?

Weber: Persönlich wünsche ich mir, dass man sich gegenseitig und die Zeit miteinander wertschätzt. Aber ich finde es auch wichtig, dass man in der Weihnachtszeit an andere denkt. Auch an die Menschen draußen, denen es nicht so gut geht oder die einsam und alleine sind. Ich wünsche mir eine besinnliche Zeit, in der man sich auf das Wesentliche konzentrieren kann.

POW: Wie geht es den Angehörigen in dieser Situation?

Schäfer: Ich weiß, dass es für die Angehörigen nicht leicht ist, weil sie ihre Liebsten im Gefängnis vermissen. Trotzdem ist es für diejenigen, die inhaftiert sind, schwieriger. Draußen hat man meist doch noch andere Leute um sich herum. Klar, ein Platz bleibt immer frei, da leiden viele drunter. Vor allem die Kinder. Aber bei den Insassinnen und Insassen ist das Heimweh größer.

POW: Kann der Glaube Halt geben?

Weber: Ja, mein Glaube spielt hier eine sehr große Rolle. Ich glaube an Jesus und ich glaube auch, dass ich durch seine Kraft und Gnade die Zeit hier bewältige. Natürlich helfen auch die richtigen Menschen wie Frau Schäfer, die eine sehr große Bereicherung für uns alle hier in Haft ist. Mein Glaube gibt mir Kraft und Hoffnung. Ich binde meinen Glauben in meinen Alltag ein, indem ich mich im Miteinander mit den Menschen, auch bei der Arbeit, so verhalte, wie ich denke, dass Jesus sich verhalten würde. In einem respektvollen, liebevollen Umgang miteinander.

Das Interview führte Judith Reinders (POW)

(5124/1355; E-Mail voraus)

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