Hinweis

Ihre Browserversion wird leider nicht mehr unterstüzt. Dies kann dazu führen, dass Webseiten nicht mehr fehlerfrei dargestellt werden und stellt ein erhebliches Sicherheitsrisiko dar. Wir empfehlen Ihnen, Ihren Browser zu aktualisieren oder einen der folgenden Browser zu verwenden:

Dokumentation

„Es macht einen Unterschied“

Predigt von Weihbischof Paul Reder bei der Kiliani-Pontifikal-Wort-Gottes-Feier mit den Einsatzkräften, der ökumenischen Telefonseelsorge und der ökumenischen Krankenhausseelsorge am Dienstag, 9. Juli 2024 im Kiliansdom

Liebe Einsatzkräfte,

liebe Seelsorgerinnen und Seelsorger,

liebe Schwestern und Brüder Christi,

in der diesjährigen Kiliani– Wallfahrtswoche ist ein Stern über dem Reliquienschrein eine Besonderheit im Dom. Er versinnbildlicht das Bistumsmotto für 2024: „Wir haben seinen Stern aufgehen sehen”. Im Evangelium haben wir gerade gehört, dass die Sterndeuter dieses Zeichen als wegweisend für sich betrachtet haben. Aber mehr noch: Ihre Motivation war, der Wegweisung des Sterns zu folgen, um einem neugeborenen König zu huldigen. Das Wort „huldigen” ist uns heute einigermaßen fremd. Aber wir könnten als Verstehenshilfe sagen: die Sterndeuter sind gekommen, um seine Größe anzuerkennen und ihm die Ehre zu erweisen.

Mit dieser Haltung wird ihre Motivation auch für uns eine wegweisende Botschaft. Denn es gibt etwas Verbindendes, zwischen allen Professionen, die sich heute hier versammelt haben. Ganz gleich, wie sich jeder in seinem Dienst als Einsatzkraft versteht, ob PSNVler, ob Seelsorge in Feuerwehr, der Polizei, im Krankenhaus oder am Telefon: überall gibt es eine gemeinsame Motiviation, die letztlich darauf abzielt und davon geprägt ist, unbeschadet aller Widerstände, die Größe des Menschen zur Geltung zu bringen, die wir zurecht als seine unantastbare Würde bezeichnen.

Gerade in den Krisensituationen und Katastrophen, mit denen Menschen konfrontiert werden, stellt sich nicht nur die Frage nach einem professionellem Handeln. Es stellt sich auch die Frage, wie Menschen in ihrem Belastungdruck so geholfen werden kann, dass ihre Würde gewahrt und gestärkt wird. Und auch wenn wir diese Würde im Grundgesetz als unantastbar deklarieren gehört es zur Wahrheit, dass nichts so verletzlich ist, wie unsere Würde.

Es macht einen Unterschied, ob Menschen – gerade, wenn ihr Ersteindruck alles andere als würdig erscheint – auch durch uns – ein Ansehen erfahren, das sie sich vielleicht selbst gar nicht mehr geben.

Es macht einen Unterschied, ob Menschen in Krisensituationen schutzlos den Blicken und Handys anderer ausgeliefert sind, oder ob sie – auch durch uns – einen taktvollen Umgang und Diskretion erfahren.

Es macht einen Unterschied, ob Menschen ihrem Schicksal überlassen bleiben oder – auch durch uns – die Erfahrung machen. Wir helfen, denn du bist es uns wert.

Es macht einen Unterschied, ob wir selbst noch bei Verstorbenen und tödlich Verunglückten ihren Wert und ihre Würde als Mensch zum Ausdruck bringen, indem wir den Toten nicht wie eine Sache behandeln, die wir einfach links liegen lassen, weil für uns nichts mehr zu machen ist.

Ich bin mir sicher, jede und jeder könnte jetzt aus eigenen Einsätzen Beispiele dafür aufzählen, wo es besonders darum ging, gerade im Blick auf menschliche Würde einen sensiblen Umgang und eine angemessene Haltung zu pflegen. Und auch die Erfahrung, dass uns diese Haltung nicht immer leichtfällt und Energie kostet, dürfte niemandem fremd sein. Das gilt besonders dann, wenn wir uns vor im oder nach dem Einsatz der eigenen Verletzlichkeit bewusst werden. Und gerade das ist ja eines der ersten Ziele jener, die den Einsätzkräften in zunehmendem Maß mit Respektlosigkeit, Herabwürdigung oder gar Gewalttätigkeit begegnen. Es gibt neben dem körperlichen Schmerz kaum etwas, was uns so schnell aus der Bahn wirft. Und darum brauchen wir hier nicht nur eine entschiedene Rückendeckung durch den Staat und seine Organe, sondern auch eine klare Positionierung durch die Zivilgesellschaft. Wer die leib-seelische Gesundheit von Kräften im Einsatz für andere gefährdet, wer ihre Autorität in ihrem Eintreten für unsere demokratischen Werte untergräbt oder ihr persönliches Einstehen für unsere Rechtsordnung angreift, darf nicht auf Toleranz und Sympathie hoffen.

Denn es ist es für alle, die mit ihrer je eigenen Profession in Krisensituationen unterwegs sind, immer auch eine Herausforderung, über das Einbringen der persönlichen Kompetenz hinaus, den eigenen Wert, die persönliche Würde und Motivation nicht vom Negativsog tragischer Ereignisse oder entwürdigender Provokationen herunterziehen zu lassen.

Von Leonardo da Vinci stammt ein Satz, der mich diesbezüglich nachdenklich gemacht hat. Er sagt: „Binde deinen Karren an einen Stern.” Eine erstaunliche Aussage. Leonardo verweist auf eine Selbstverständlichkeit. Kein Karren bewegt sich von alleine. Es braucht etwas, das ihn in Bewegung bringt. Nichts anderes steckt hinter dem Wort „Motivation” – „Beweggrund”.

„Binde deinen Karren an einen Stern.” Das heißt auch: Schau über die augenblickliche Lage hinaus. Lass dich nicht komplett gefangennehmen von der jeweiligen Situation und sei sie noch so tragisch.

„Binde deinen Karren an einen Stern.” Das heißt: dass sich auch etwas scheinbar völlig Festgefahrenes in Bewegung bringen lässt, wenn wir es an einem Lichtblick festmachen können und sei er auch klein.

Zu Lebzeiten Leonardos gab es neben den Handwägen, vornehmlich Esel- und Pferdekarren, um etwas voranzubringen. Heute geht es bei den Einsatzkräften Gott sei Dank moderner zu. Aber der Sinn ist gleichgeblieben. Denn wer seinen Einsatz oder den Einsatzwagen sinnbildlich an einen Stern bindet, der vertraut nicht nur auf eigenen Kräfte, sondern auch auf die Kräfte dessen, der uns als „Kinder des Lichts” in diese Welt mit all ihren Herausforderungen und in die jeweiligen Situationen mit ihren Schattenseiten stellt.

Für die drei Weisen, von denen wir im Evangelium gehört haben, war der Stern als Hoffnungszeichen ein verbindendes und motivierendes Element. Die Hoffnung, dass die Finsternis das Licht nicht und niemals ganz verschlingen kann, ist für uns in Jesus Christus offenbar geworden. In ihm leuchtet uns ein Mensch und ein Gott auf, der die Größe und Würde von Menschen ins Licht stellt, gerade von denen, die auf vielfältige Weise bedrängt, belastet und niedergedrückt sind. An seinem Einsatz können auch wir uns festmachen, gerade wenn unser festgefahrener Karren einen Hoffnungsschub braucht.

„Wir haben seinen Stern gesehen.” Das war der entscheidende Hoffnungsimpuls. Und in diesem Sinn kann auch jeder von uns auch auf seine Weise im Einsatz für andere ein Sterndeuter der Hoffnung sein. Amen.